Walter Benjamin und die Theologie

Die philosophischen Ansätze von Walter Benjamin komplex, seine Ausführungen zur Mystik revolutionär. Wie hält dieser Philosoph es nun mit der Religion? Was hat Benjamins Dialektik für Religion übriggelassen und wie hat sich das vielleicht auf seine Auffassungen und Ideologien ausgewirkt?

Es ist unbestritten, dass Benjamin definitiv einen religiösen Hintergrund hatte, der sich auch auf seine Philosophie ausgewirkt hat. Für ihn waren religiöse Fragestellungen zum Teil sehr einflussreich. Er selbst sagte, dass sein Denken stark von Theologie abhing. Diese Abhängigkeit lässt sich jedoch nicht als freiwillig bezeichnen. Für Benjamin wäre es in vielen Punkten einfacher gewissen, seine Standpunkte ohne einen religiösen Bezug auszulegen.

Dies lässt sich vor allem schlussfolgern, da Benjamin in einigen Punkten gewisse Ähnlichkeiten zu Nietzsche aufweist. Sei es nun Zustimmung oder doch versteckte Kritik: Seine Dialektik machte ihn darauf aufmerksam, wie die Welt ist und nicht, wie man sie auslegt. Benjamin verfolgte natürlich eine Ideologie, aber wer widerspricht, wenn er nicht nur versuchte zu interpretieren, sondern auch schlicht und einfach zu erklären?

In großen Teilen seines Verständnisses hat Benjamin sich der Theologie aber auch bedient. Dies mag sehr schnell widersprüchlich klingen, doch auch hier zeigt sich wieder seine Genialität: Er entnahm vor allem der jüdisch-traditionellen Gotteslehre Gedanken, durch die er wiederum die Engstirnigkeit der Menschheit beweisen konnte. Für ihn war die Idee der Erlösung wichtig. Besonders in dem Konflikt zwischen Kommunismus und Nationalismus manifestierte sich für ihn immer die Kurzlebigkeit dieser beiden Ideologien. Benjamin wagte sich aber trotzdem an die Religionskritik. Deshalb bleibt die Frage offen: Was war Theologie wirklich für ihn? War sie der kleine hässliche Zwerg, der nicht ansehnlich war und von niemandem akzeptiert wurde, weswegen man sie nur in der verschönerten Repräsentation etablieren konnte? Oder war sie ein Fundament, auf dass er alles, was er je dachte und wollte, stützte? Oder war sie für ihn nichts, außer Ideenschmiede für neue Ideologien und Auffassungen?

Benjamins marxistische Haltung unterstützte weiterhin seine Begeisterung für die Erlösungsbedürftigkeit. Die Ideologie, die eine Herrschaft des Proletariats wollte, muss für ihn Ausdruck der Erlösung von der Regierung sein, die nicht anders als unterdrücken und falsch entscheiden können. Aber war die Ideologie Ausdruck einer (seiner) Theologie, oder die Theologie Beweisstück für seine Ideologie?

Nachweisbar ist, dass Benjamin tatsächlich auf eine messianische Erlösung gehofft hat. Mit Sicherheit war dies jedoch einer der Auslöser seiner Depressionen: In seiner marxistischen Haltung hat Benjamin immer noch nicht die Lösung für das Problem gefunden. Der Philosoph erkannte, dass auch dieses Prinzip, das er für richtig hielt, nicht die vollständige Erfüllung bedeutete. Schon vorher bestand hier für ihn die Notwendigkeit eines Auswegs. Doch auch nachdem er seine bis zum Ende gehaltene politische Haltung vollkommen adaptiert hat, war sie nicht das Ende aller Dinge. Die Revolution, die er sich herbeiwünschte, war trotzdem begrenzt. Sie konnte nicht erlösen und versöhnen.

Somit hat Benjamin nicht den Weg gefunden, der die Missstände der nicht-dialektischen, engstirnigen Gesellschaft eliminiert. Trotz der theologischen Bezüge bestand für ihn keine überirdische Möglichkeit, wie man einen Ausweg finden und nutzen könnte.